Bei der hepatischen Enzephalopathie (HE) handelt es sich um eine Funktionsstörung des Gehirns, die sich als Folge einer Leberzirrhose oder im Rahmen eines akuten Leberversagens entwickeln kann.
Das im normalen Stoffwechsel anfallende Ammoniak kann von der kranken Leber infolge einer Funktionsbeeinträchtigung nicht mehr effizient aus dem Blut entfernt werden und gelangt dadurch in hoher Konzentration ins Gehirn. Eine weitere Ursache ist die Entwicklung eines Leberumgehungskreislaufs, bei dem das Blut aus dem Magen-Darm-Trakt an der zirrhotischen Leber vorbei fließt, ohne das Entgiftungssystem der Leber passiert zu haben. Die Folge davon sind Störungen des Stoffwechsels und der Funktionen im Gehirn.
Zur Diagnostik einer minimalen Enzephalopathie werden verschiedene Testverfahren angewandt.
Neuropsychologische Testverfahren untersuchen mit fünf „Papier-Bleistift-Tests“, in denen der Patient verschiedene Aufgaben erfüllen muss, u. a. die Aufmerksamkeit, Wahrnehmungsstörungen, Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit. Dieser Test wird „PSE-Syndrom-Test“ genannt.
Neurophysiologische Testverfahren untersuchen Veränderungen der elektrischen Hirnaktivität (EEG-Ableitung, evozierte Potenziale).
Des Weiteren müssen bei der Diagnostik Hirnblutungen und andere Ursachen für die Verschlechterung der Bewusstseinslage ausgeschlossen werden, da bei einer Leberzirrhose das Risiko in Folge einer Gerinnungsstörung erhöht ist.
Bei Patienten mit Alkoholkrankheit und Leberzirrhose kann ein Vitamin-B1-Mangel die Symptome einer Hepatischen Enzephalopathie imitieren.
Die Symptome einer hepatischen Enzephalopathie reichen von minimalen Beeinträchtigungen des Bewusstseins bis hin zu schweren Verwirrtheitszuständen und zum Koma.
Die Krankheit wird in 4 Stadien eingeteilt, wobei zusätzlich eine latente Form, die „minimale hepatische Enzephalopathie“, mit einbezogen wird:
Minimale hepatische Enzephalopathie:
- Schlafstörungen
- Leichte Aufmerksamkeitsstörungen
Stadium I:
- Vermehrtes Schlafbedürfnis
- Umkehr des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Aufmerksamkeitsdefizite
- Antriebsarmut
- Lustlosigkeit
- Stimmungsschwankungen
Stadium II:
- Orientierungsstörungen
- Gangstörungen
- Seltsames Verhalten
- Lethargie
- Beeinträchtigung der Feinmotorik (Händezittern)
Stadium III:
- Hochgradige Bewusstseinsstörung
- Hochgradige Schläfrigkeit und Apathie
- Zeitliche und örtliche Desorientiertheit
- Deutliche Gangunsicherheit
- Verwaschene Sprache
Stadium IV:
- Bewusstlosigkeit
- Keine Schmerzreiz-Reaktion
- Koma
Die Grenzen zwischen den einzelnen Stadien sind nicht scharf sondern fließend. Nur erfahrene Neurologen oder Gastroenterologen sollten das Ausmaß und insbesondere die Frühdiagnose der Krankheit beurteilen, um rechtzeitig therapeutische Maßnahmen in die Wege leiten zu können.
Mögliche Folgen und Komplikationen
Patienten mit einer klinisch diagnostizierbaren Hepatischen Enzephalopathie sind arbeitsunfähig. Bei der minimalen Enzephalopathie hängt die Arbeitsfähigkeit davon ab, in welchem Bereich man tätig ist. Die Erkrankung schränkt zunächst die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit ein und führt auch zu einer Beeinträchtigung der Feinmotorik, während die sprachlichen Fähigkeiten erhalten bleiben. Daher sind Menschen, die in handwerklichen Berufen oder an laufenden Maschinen arbeiten sehr viel früher durch die Enzephalopathie beeinträchtigt als jene, die reine Schreibtischtätigkeiten ausführen oder deren Aufgaben z. B. im Kundenkontakt liegen.
Wenn die Aufmerksamkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit gestört sind, ist dies auch von großer Bedeutung für die Fahrtauglichkeit. Dies gilt sowohl im Privatleben als auch im Berufsleben. Es ist daher jedem Patienten mit Leberzirrhose zu empfehlen, sich auf das Vorliegen einer Enzephalopathie untersuchen zu lassen, bevor er sich und andere gefährdet. Sicher wird der eine oder andere aus Sorge, er könne dann den Führerschein verlieren, von einer solchen Untersuchung zurückschrecken. Diese Sorge ist allerdings unbegründet, da die minimale Enzephalopathie nach Diagnosestellung grundsätzlich behandelbar ist.
Viele Hepatische-Enzephalopathie-Schübe werden durch äußere Einflüsse wie Diätfehler mit einem zu hohen Eiweißgehalt in der Nahrung ausgelöst. Weitere Auslöser können Blutungen aus Ösophagusvarizen, Verstopfung, Infektionen oder Veränderungen in der Medikamenteneinnahme sein. In einer solchen Situation kann die Beseitigung des auslösenden Faktors allein ausreichen, um eine Rückbildung der Symptomatik zu erreichen.
Führt dies allein nicht zum Erfolg, versucht man im nächsten Schritt, die Ammoniakproduktion im Darm und die Ammoniakaufnahme vom Darm in das Blut zu senken und die Ammoniak-Entgiftungsleistung des Körpers zu steigern.
Die Ammoniakproduktion kann wirksam durch Diät sowie eine Darmentleerung mittels Lactulose-Einläufen gesenkt werden. In schweren Fällen würde man für kurze Zeit eine Therapie mit Antibiotika einsetzen, die gegen die Ammoniak produzierenden Darmbakterien gerichtet ist.
Die Ammoniakentgiftung in der Leber kann ebenfalls medikamentös unterstützt werden. Bei nachgewiesenem Zinkmangel sollte Zink gegeben werden.
- Reduktion des Eiweißgehaltes in der Nahrung
- Vermeidung von tierischem Eiweiß (Fleisch, Milchprodukte, Fisch)
- Lactulose-Einläufe
- Medikamentöse Therapie
- Vermeiden von Benzodiazepin-haltigen Schlaf- oder Beruhigungsmitteln
Was Sie selbst tun können, wenn Sie eine Hepatische Enzephalopathie haben
Die Hepatische Enzephalopathie ist sowohl bei akutem Leberversagen als auch bei der Leberzirrhose ein Zeichen für eine schlechte Leberfunktion. Daher sind alle Maßnahmen, die die Leber schonen, auch für Patienten mit Hepatischer Enzephalopathie sinnvoll:
- Trinken Sie keinen Alkohol!
- Vermeiden Sie Medikamente, die Ihre Leber belasten – fragen Sie hierzu Ihren Arzt!
- Bleiben Sie mit Ihrem Arzt in engem Kontakt.
- Beachten Sie darüber hinaus alle Punkte, die unter „Vorbeugung“ aufgelistet sind!